Es wurde hier an anderer Stelle bereits subtil angedeutet, dass Justice mit ihrem aktuellen Output so klingeln, als würden sie sich selbst bzw. ihr Image karikieren. Waren Glam- und Progressivrock noch eher ironische Stilelemente des Debütalbums, sind es diesmal die tonangebenen Eckpfeiler. Nur sind Justice eben keine Rockband; es sind Electro-Nerds. Die episch-theatralische Opulenz und virtuose Komplexität des Prog-Rocks lässt sich nur bedingt in den Kontext von Tanzmusik überführen, ohne schnell überladen und übertrieben zu wirken. Derartige Behauptungen sind bei gerademal zwei offiziellen Auskopplungen aus dem kommenden Langspieler natürlich anmaßend und unfundiert. So wie die meisten Aussagen über Justice im Jahre 2011. Aber Musikkonsumenten sind eben keine promovierten Geschichtsforscher, denen Distanz und Objektivität höchste Güter sind. Die heutige Generation wurde erzogen und gefüttert von der Internet-Hype/Hate-Maschine, wodurch sich Bewunderung, Enttäuschung oder Abneigung schnell potenzieren. Die Häme, der sich Ed Bangers Vorzeige-Act ausgesetzt sieht, weil die Erwartungen an ein weiteres bahnbrechendes Album vorläufig nicht erfüllt wurden, ist zum Teil aber schon krank. Die Vorschusslorbeeren jedoch genauso. Was übrig bleibt, ist ein netter Track mit einem gutem OneShot-Video des tollen So Me, der zu den begnadesten Graphik Designern/Regisseuren gehört, die momentan rumlaufen.

Vornamen und eine schöne Klangfarbe sind gerade für Deutsche traditionell zwei Paar Schuhe. Die Erfindug des Umlautes Ü war der Sache hierzulande jedenfalls nicht dienlich. Die Amerikaner haben es da besser. Die amerikanische Geschichte wird durch derart viele kulturelle Mischungen geprägt, dass die Amis sich schon immer aus dem vollen Fundus der internationalen Namensschöpfungen bedienen konnten und ein anständiges Best-Of entwickelt haben. Manchen reicht das aber nicht, und deshalb ist es in den USA auch völlig legal, sein Kind so zu nennen, wie man gerade witzig ist bzw. angeheitert. Dann heißen die Kleinen eben wie Obst, Jahreszeiten oder Hautkrankheiten, whatever. Christliche Namen sind jedoch nach wie vor am populärsten im englischsprachigen Raum. Musiker wie Joe “GOD”dard, dem Gründer von Hot Chip, sind da keine Ausnahme. Macht in diesem Fall aber auch Sinn, da sein neues Baby ein musikalischer Schmachtfetzen biblischen Ausmaßes ist, wofür vor allem die Engelsstimme von Valentina (romanischer Name?) sorgt. Mr. Goddard ist in diesem Rorschachtest-Video im Prinzip gar nicht zu sehen, was aber okay ist, da er sonst immer eher wie ein peinlicher Dad rumhampelt.

Jeder der Feiern ernst nimmt, kennt das Wechselwirkungsprinzip zwischen Alkohol und Bass. Für manche kommt es dabei nicht auf Feinjustierungen an. Eher wird Flüssiges und Tiefes bis zum Anschlag gefordert. Kriegt man beides, kann es losgehen: Ellenbogen auspacken, Gesicht verziehen und dem Nächstbesten in den Rücken springen. Wem das zu martialisch vorkommt, der kann ja immer noch mit Bananen rumschmeissen, als hätte es die DDR nie gegeben. Dada Life-Konzerte bieten einem da alle Möglichkeiten, siehe Video. Die dargestellte Faszination für große Moët-Flaschen lässt darauf schliessen, dass das Material in den Staaten gedreht wurde. Ein weiteres Indiz mag die Anzahl der Baseballcaps sein, die Bereitschaft der Frauen vor Kameras mit dicken Barträgern in Bananenkostümen Schweinereien zu veranstalten ist jedoch universell. Dass auf dieser Party übrigens weder Schaumkanonen noch irgendwelche Hängengebliebenen mit Kanye West-Brille zu sehen sind, muss defintiv einer Technikpanne zu verdanken sein.

Fernweh nach Ländern, in denen man noch nie war, sondern die man nur von GEO-Covern kennt, ist besonders trügerisch. Die Phanatsie geht da gerne mit einem durch. Vorstellungen von Bermuda-Shorts und Halsketten drängen sich plötzlich auf, der Spontankauf vom Flohmarkt ist nach näherer Betrachtung ein tibetisches Saiteninstrument oder man skippt stoisch durch Neuseelandfotos von Au-Pair-Mädchen auf Facebook. Dabei sind eigentlich alle Länder gleich, wenn man von so trivialen Unterschieden wie Wetter, Menschen und Infrastruktur absieht. Überall gibt es Fußball- und Swingerclubs, Fastfood schmeckt super und die meisten hören bescheuerte Musik bzw. Rihanna, die ja internationaler ist als Armut. Ein wirklich differenziertes Bild von Puerto Rico bekommen auch die Macher des Videos zu Daniel Haaksman neuer Single nicht hin. Da wird auch eher mit Ahnungen gearbeitet, denn dass man in der sengenden Sonne der Karibik zweifellos viel im Sportwagen unterwegs ist, offenbart jetzt nicht soviel. Doch es geht ja auch mehr um ein nettes Setting für Haaksmans Baile Funk und das klappt ganz ordentlich.

Eltern sind schwer zu vermeiden, da sie einfach schon da sind, bevor man etwas machen könnte. Es bleibt nicht anderes übrig, als sich zu arrangieren und zu warten. Wenn die Egos der Beteiligten nicht zu sehr ausufern, ist ohne Probleme soetwas wie eine respektvolle, in Einzelfällen auch liebevolle Beziehung möglich. Unter Umständen kommt es dann sogar dazu, dass der Vater sich plötzlich für dieses ominöse Musikbusiness interessiert, indem der Sohnemann sein bescheidenes Gehalt erwirtschaftet. Ob es diesen Moment im Leben des Sound Pellegrino Thermal Team (bester Bandname aller Zeiten?) aka Teki Latex und Orgasmic gab? Was mögen die Dads gedacht haben, als sie Bassface zu Gesicht bekamen? “Wahnsinn, diese Reminiszenzen an 80er-Playbackvideos in Kombination mit der Hiphop-beeinflußten Großgestik. Ich kann es nicht leugnen; mein Sohn hat etwas von besonderer Tiefe geschaffen.” Es ist wahrscheinlich, dass sie ihre Gedanken für sich behalten haben. Subjektiv und mit der Ahnungslosigkeit der Jugend kann man allerdings sagen, dass sowohl Track, als auch das Video von BM&FILS, Ohr- bzw. Augenwurm sind.

Fast alle betroffenen Frauen wissen nicht, dass sie ihren Hipster-Esmaralda-Look der Sängerin Stevie Nicks von Fleetwood Mac zu verdanken haben. Ist aber so und lässt sich bestimmt auch irgendwie beweisen. Der Hippie-Schick ist natürlich so eine Sache. Kommt mit Mac Book Air und 5€-Milchkaffee in der Hand nicht übermäßig authentisch, man könnte jedoch gegenhalten, dass Stevie Nicks auch eher Jetset als Kommune war inklusive Kokain- und Psychopharmaka-Abhängigkeit. Man muss sich einfach freimachen von diesen Klischees, denn die Leute die früher Hippies waren, führen jetzt börsennotierte CSR-Unternehmen, was ja heute der Gipfel der Spießigkeit ist. Die Welt ist einfach in Bewegung, da kann man noch so still stehen. Bewegung ist auch das Hauptthema beim sehr feinen Label Kojak Giant Sounds, die sich seit einiger Zeit mit Disco und House-Edits weltweit bei DJs einschleimen. Die sind natürlich total die Vinyl-Fetischisten, was auch im Video durchschimmert und leicht blasiert daherkommt. Nicht so schlimm, da sich der Typ von Young Edits dafür einmal mit seinem Bike flachmacht. Immer ein Schmunzler.

Schon immer bestand die Hauptbeschäftigung von Pubertierenden im geil, nutzlos und peinlich sein. Manche schaffen es allerdings sich aus diesem evolutionärem Zwang zu befreien und sich in irgendetwas Sinnvollem zu üben. Ein paar Jahre später können sie dann einen ordentlichen Skill-Vorsprung verbuchen. Bei Leno Lovecraft ist das Konzept aufgegangen, denn der 19- oder 20-Jährige produziert mittlerweile flotten Tanzspaß, während seine Altersgenossen eher uninspiriert rumstehen, da zuviel Zeit fürs Haare gelen und Internetpornos draufgegangen ist. Dass es sich Leno deswegen herausnimmt seine dürftigen Zeichenkünste in Videoform zu verewigen, ist natürlich ein folgerichtiger Boss-Move. Die resultierende Mischung aus Manga und gemütlichem Acid-Trip ist sympathisch, außer man hat jetzt eine intensive Abneigung gegen warme Farben und fröhlichen Blödsinn, weil man z.B zu diesen merkwürdigen Schwarz-Weiss-Ästheten gehört, die gern Berliner Minimal hören und gesellschaftskritische T-Shirts tragen.

Als Electro vor ein paar Jahren seinen Popularitätshöhepunkt hatte, dachte man alles wäre gesagt zum Thema Ausflippen. Dann kam Dubstep um die Ecke und spätestens jetzt wußte man, was der Typ in Spinal Tap mit “one louder” meint. Heftiger geht immer. Stellt man sich Dubstep als Partygast vor, wäre es jemand, der einem sturzbetrunken um den Hals fällt und dann einen Faustschlag verpasst, nur um danach lachend zusammenzubrechen und ne Runde zu kotzen. Klar, warum diese Musik in England soviele Fans hat. Das Königreich bringt allerdings auch die brutalsten Acts in dem Genre hervor. Die Londoner 16bit halten z.B immer mit Dauerfeuer drauf und ballern sich durch die heimischen Clubs als wär jeden Tag Armageddon. Irgendein sympathischer Zeitgenosse hat das aktuelle Werk der Dubstepper nun kongenial als Video umgesetzt, obwohl seine Themenfindung nicht als sonderlich kreativ gelten kann. Die Würdigung von Dinosauriern in Form von Dubstep war aber auf jeden Fall mehr als überfällig.

Wie hat man sich das vorzustellen, wenn zwei profilierte Musikproduzenten zusammenarbeiten? Stichwort Arbeitsteilung. Programmiert einer den Drumcomputer, während der andere Pizza bestellt? Wird da auf den Synthesizern gefreestyled oder gemeinsam die passsende Sample-CD ausgesucht? Lustig scheint es ja zu sein. Die bunte Welt der elektronischen Musik ist nicht gerade arm an Super-Collabos, siehe Carte Blanche, Boys Noize & Erol Alkan oder Black Rose. Zwei, die sich schon länger zum Spielen treffen sind Zombie Nation und Tiga, zusammen ZZT. Jeder für sich ist ein Schwergewicht wenn es ums Alarm machen geht, doch in Kombination wird nochmal eine Schippe draufgelegt. Neuestes Beispiel ist dieses Bass-Monster, das tatsächlich rumgrölt als wäre Vulkan-Alarm -in Mordor. Die Verfilmung ist aus pyromanischer Sicht einwandfrei und dürfte auch bei dem einen oder anderen Riot-Kid wärmende Erinnerungen wecken. Eigentlich sind es aber Szenen aus einem Kunstprojekt. Da bekommt man doch glatt Lust selbst ein bisschen Kunst zu machen, vielleicht sogar als Live-Happening mit Nachbars Katze.

Der erste Hit von Axel Boman hieß Purple Drank. Benannt nach einer Hustensaftdroge, die vor allem bei Rappern aus den amerikanischen Südstaaten beliebt ist. Das erste Musikvideo von Bomans aktuellem Label Glass Table wurde mit Pornoszenen ausgeschmückt und als MTV-Video getarnt. Außerdem ist es ein Houselabel, das sich Glass Table nennt. Ha! Schön zusehen, dass manche Leute es schaffen, ihren pubertären Humor ins Alter zu retten. Bitte mehr davon. Wer das Filmmaterial für den hierzusehenden EP-Teaser in das digitale Zeitalter gerettet hat, verdient auf jeden Fall einen vollausgestatteten Glastisch. In den 90ern glotzten amerikanische Teenager anscheinend Strandpartys im Fernsehen, um einen Vorgeschmack auf ihr awesome debiles Strandpartyleben zu bekommen. Zwischendurch laufen noch Clips einer wahrscheinlich finnische Version von Soul Train, einer wahrscheinlich vietnamesischen Version der Sexy Sport Clips und einer mit Sicherheit amerikanischen Version von irgendwas Bizarrem. In seiner Gesamtheit betrachtet grandios.